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«Sonst werden die Emissionen ins Ausland verlagert»

ProClim Flash 78

Strategien zur Anpassung an den Klimawandel sind für Schweizer Bauernbetriebe enorm wichtig, um die Produktion zu erhalten und die Emissionen zu reduzieren. Dies müsse aber im Einklang mit der Konsumentwicklung geschehen, sagen Hannah von Ballmoos-Hofer und Michel Darbellay vom Schweizer Bauernverband (SBV) im Interview.

Der Bauernbetrieb der Familie Wyss in Ittigen (BE) macht vor, wie eine Biogasanlage Energie produzieren und den Kreislauf schliessen kann.
Bild: CNG-Mobility.ch/Jürg A. Stettler

Interview: This Rutishauser

Was gefällt Ihnen an der Arbeit mit Lebensmitteln?

Michel Darbellay: Lebensmittel sind elementar. Alle brauchen sie zum Überleben. Die aktuellen Krisen wie die Pandemie oder der Krieg in der Ukraine haben die Bedeutung der Lebensmittelproduktion generell wieder stärker ins Bewusstsein gerückt.

Hannah von Ballmoos-Hofer: Ja, hinzu kommt die weltweit steigende Zahl hungernder Menschen. Auch das führt uns hier in der Schweiz vor Augen, in welch privilegiertem Umfeld wir leben und wie wichtig unsere Lebensmittelproduktion ist.

Wie sieht hierzulande eine nachhaltige und klimafreundliche Landwirtschaft aus?

von Ballmoos-Hofer: Eine nachhaltige Landwirtschaft produziert ressourcenschonend die nachgefragten Produkte. Nachhaltigkeit umfasst dabei nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und soziale Aspekte.

Darbellay: Genau deshalb muss man auch feststellen: Es ist nicht nachhaltig, wenn Schweizer Bauernfamilien von ihrer Arbeit in der Landwirtschaft nicht leben können.

Welches Gewicht haben Klima und Klimawandel unter den vielen anderen Themen, die den SBV mit seinen Mitgliederorganisationen und landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigen?

Darbellay: Der Klimawandel ist ein wichtiges Thema in der Schweizer Landwirtschaft. Die Bauernbetriebe sind ja stark betroffen von den Auswirkungen. Gleichzeitig tragen sie auch teilweise zu den Emissionen bei. Wichtig sind daher Strategien zur Anpassung an den Klimawandel, um die Produktion zu erhalten und die Emissionen zu reduzieren.

von Balmoos-Hofer: Gerade die Reduktion der Emissionen muss in Einklang mit dem Konsum geschehen, etwa durch weniger Foodwaste. Sonst findet einfach eine Verlagerung ins Ausland statt, was dem Klima nichts nützt.

Wo liegen angesichts des fortschreitenden Klimawandels die grössten Herausforderungen für die Nahrungsmittelproduktion?

Darbellay: Das Wetter wird in der Tendenz extremer, was für die Landwirtschaft eine grosse Herausforderung ist. Letztes Jahr war es sehr lange sehr trocken, und dieses Jahr hatten wir einen sehr nassen Frühling wieder gefolgt von einer sehr trocknen Phase. Das stellt sehr grosse Herausforderungen für die Zukunft.

Birgt der Klimawandel auch Chancen?

Darbellay: Durch die höheren Temperaturen verlängert sich die Vegetationszeit, was etwa den Anbau von Soja und Hirse vereinfacht oder mehr Flächen mit Obst oder Reben ermöglicht. Höhere Durchschnittstemperaturen können sich auch positiv auf die Erträge im Raufutterbau oder beim Mais auswirken – vorausgesetzt, es ist genügend Wasser vorhanden.

Gemäss Treibhausgasinventar der Schweiz trägt die Landwirtschaft mit rund 6,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten und rund 14 Prozent zu den Treibhausgasemissionen der Schweiz bei. In welchen Bereichen kann sie trotzdem zum Netto-Null-Ziel der Schweiz bis 2050 beitragen?

von Ballmoos-Hofer: Die Zusammenhänge der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft sind aufgrund der biologischen Prozesse sehr komplex. Die Kurzlebigkeit von Methan aus der Tierhaltung soll im natürlichen Kreislauf berücksichtigt werden. Denn bleibt der Tierbestand konstant, dann stellt sich ein Gleichgewicht ein, bei dem sich die Methanemissionen und deren Abbau ungefähr ausgleichen. So kann es nicht sein, dass aufgrund von Klimazielen der Rinderbestand reduziert werden muss, während nach wie vor sehr viel Fleisch importiert wird. Für die Reduktion von Emissionen sehen wir grosses Potenzial in der landwirtschaftlichen Biogasproduktion und der Kohlenstoffspeicherung im Boden.

Welche Möglichkeiten zur Reduktion gibt es in der Landwirtschaft sonst noch?

Darbellay: Auch ich möchte noch einmal betonen: Reduktionsziele in der Landwirtschaft sind nur im Einklang mit der Entwicklung des Konsums sinnvoll. Sonst werden die Emissionen einfach ins Ausland verlagert. Dies hilft dem globalen Klima nicht.

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ist Leiter Departement Produktion, Märkte und Ökologie beim Schweizer Bauernverband (SBV).

leitet den SBV-Geschäftsbereich Energie und Umwelt.

Der Bauernbetrieb der Familie Wyss in Ittigen (BE) macht vor, wie eine Biogasanlage Energie produzieren und den Kreislauf schliessen kann.
Der Bauernbetrieb der Familie Wyss in Ittigen (BE) macht vor, wie eine Biogasanlage Energie produzieren und den Kreislauf schliessen kann.Bild: CNG-Mobility.ch/Jürg A. Stettler
  • Michel Darbellay ist Leiter Departement Produktion, Märkte und Ökologie beim Schweizer Bauernverband (SBV).
  • Hannah von Ballmoos-Hofer leitet den SBV-Geschäftsbereich Energie und Umwelt.
  • Michel Darbellay ist Leiter Departement Produktion, Märkte und Ökologie beim Schweizer Bauernverband (SBV).Bild: SBV1/2
  • Hannah von Ballmoos-Hofer leitet den SBV-Geschäftsbereich Energie und Umwelt.Bild: SBV2/2

Kategorien

  • Anpassung an die Klimaänderung