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«Tiefsee schützen und Forschung für nachhaltige Nutzung vorantreiben»

Carte Blanche für Thomas Frölicher, Universität Bern und Samuel Jaccard, Universität Lausanne

Die Auswirkungen des Tiefseebergbaus (Deep-Sea Mining) auf sensible marine Ökosysteme sind noch weitgehend unerforscht. Das Moratorium, das einige Staaten fordern, muss von der Wissenschaft genutzt werden können, um diese ökologischen Folgen zu untersuchen. Fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse sind entscheidend, damit die Politik eine nachhaltige Nutzung der Tiefsee gestalten kann.

Thomas Frölicher und Samuel Jaccard
Bild: zvg

Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autoren wieder und muss nicht mit der Haltung der SCNAT übereinstimmen.

Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen und die CO2-Emissionen bis 2050 auf netto null zu reduzieren. Dieses Ziel erfordert einen schnellen und konsequenten Übergang zu erneuerbaren Energiequellen. Insbesondere der Ausbau von Solar- und Windenergie führt zu einem wachsenden Bedarf an kritischen Materialien und seltenen Erden, die unter anderem für Batterien von Elektrofahrzeugen und andere elektronische Infrastrukturen benötigt werden. Da die zugänglichen und hochwertigen Erzvorkommen an Land begrenzt sind und geopolitische Instabilitäten die Förderung zusätzlich erschweren, wächst die Sorge über mögliche Lieferengpässe. Vor diesem Hintergrund wird die Erschliessung neuer Rohstoffquellen intensiv diskutiert, wobei der Tiefseebergbau einer der umstrittensten Vorschläge ist.

Ökologische Schäden sind zu befürchten

Die Tiefsee, insbesondere die Clarion-Clipperton-Zone im Zentralpazifik, beherbergt reichhaltige Vorkommen an kritischen Materialien wie Nickel, Cobalt, Lithium und seltene Erden. Die Manganknollen in diesen Gebieten enthalten geschätzte Mengen dieser Materialien, die teilweise ein Vielfaches der weltweit bekannten, wirtschaftlich abbaubaren Landvorkommen erreichen – darunter drei- bzw. fünfmal mehr Nickel und Kobalt sowie etwa ein Drittel der globalen Kupferreserven.

Diese Ressourcen auf dem internationalen Meeresboden gelten gemäss dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) als «gemeinsames Erbe der Menschheit». Ihre Erforschung und Nutzung sollen dem Wohl der gesamten Menschheit dienen. Trotzdem haben 22 Unternehmen und Regierungen von der internationalen Meeresbodenbehörde Lizenzen erhalten, um mehr als 1,3 Millionen Quadratkilometer des Tiefseebodens in internationalen Gewässern für den Abbau zu «untersuchen» – eine Fläche, die 31-mal so gross ist wie die Schweiz. Dadurch hat der Tiefseebergbau erheblich an geopolitischer Bedeutung gewonnen.

Mit dem steigenden Interesse am Abbau dieser Rohstoffe wird die Frage nach den ökologischen Auswirkungen dringend. Die Vorkommen in der Tiefsee sind nicht erneuerbar und ihre Entstehung benötigt Millionen von Jahren. Gleichzeitig beherbergt die Tiefsee einige der einzigartigsten, ursprünglichsten und artenreichsten Ökosysteme der Erde, mit einer Vielzahl noch unbekannter Organismen (Schätzungen gehen von 500'000 bis 10 Millionen Arten aus).

Wissenschaftliche Untersuchungen zum Einfluss des Tiefseebergbaus auf diese empfindlichen Lebensräume sind bislang begrenzt. Neuste Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass der Abbau irreversible Schäden verursacht – durch die direkte Zerstörung von Lebensräumen am Meeresboden sowie durch giftige Metalle, Lärm und Sedimentfahnen in höheren Wasserschichten, die durch die Störung des Meeresbodens und die Rückführung sedimenthaltiger Abwässer entstehen. Ein einziger Bergbaubetrieb könnte beispielsweise täglich bis zu 80 Kubikkilometer Sedimentfahnen freisetzen, die sich in der Clarion-Clipperton-Zone über eine Fläche von bis zu 24’000 Quadratkilometern ausbreiten könnten. Damit würde der Tiefseebergbau die bereits durch den Klimawandel, Umweltverschmutzung und nicht nachhaltige Fischerei stark belastete Tiefsee einem weiteren erheblichen Stressfaktor aussetzen.

Die erwarteten Umweltauswirkungen stehen im Widerspruch zum Hochseeabkommen (BBNJ Agreement) der Vereinten Nationen, das den Verlust biologischer Vielfalt stoppen soll, sowie zum UN-Ziel 14 für nachhaltige Entwicklung, das darauf abzielt, «die Ozeane, Meere und Meeresressourcen zu erhalten und nachhaltig zu nutzen». Die Unterzeichnung des ersteren hat im Januar 2025 auch der Schweizer Bundesrat genehmigt.

Forschung statt Abbau

Das Thema hat an Dringlichkeit gewonnen, seit Norwegen im Januar 2024 als erstes Land den Abbau von Rohstoffen in seinen Hoheitsgewässern genehmigte, diesen jedoch im Dezember desselben Jahres aufgrund politischen Drucks wieder stoppte. Auch in den USA wächst die Unterstützung für den Tiefseebergbau, insbesondere seitdem die neue Regierung im Januar ihr Amt angetreten hat. Im Gegensatz dazu setzen sich 32 Staaten, darunter die Schweiz, für ein Moratorium ein, bis die ökologischen Auswirkungen besser erforscht sind. Die Position der Schweiz ist besonders bemerkenswert, da sie etliche internationale Unternehmen beheimatet,die sich am Rohstoffhandel beteiligen oder in den Bergbau investieren.

Angesichts des unschätzbaren Werts der Tiefsee ist es entscheidend, Aktivitäten wie den Tiefseebergbau vorerst zu pausieren. Gleichzeitig muss die Ozeanforschung gefördert werden, um die ökologischen Auswirkungen besser abschätzen zu können. Dies ist in der maritimen Strategie der Schweiz zwar vorgesehen, wird aber nur teilweise umgesetzt. Die Ozeane, einschliesslich der Tiefsee, spielen eine zentrale Rolle als Senke für Wärme und CO2, weshalb ihr Schutz in der Schweizer Klimastrategie stärker berücksichtigt werden muss. Nur so kann die Schweiz als Mitgliedstaat der internationalen Meeresbodenbehörde wissenschaftlich fundierte und gerechte Entscheidungen zur nachhaltigen Nutzung der Tiefsee treffen.


Thomas Frölicher ist Professor an der Abteilung Klima und Umweltphysik der Universität Bern. Samuel Jaccard ist Professor am Institut für Erdwissenschaften der Universität Lausanne. Sie verfassten den Bericht «The state of knowledge on the environmental impacts of deep-sea mining» und sind Mitglieder der Kommission für Ozeanographie und Limnologie der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz und Leitautoren des aktuellen Berichts des Weltklimarats.

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