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«Mehr unabhängige Forschung zu klimaschonendem Tourismus»

Carte Blanche für Dominik Siegrist, Ostschweizer Fachhochschule OST

09.05.2022 – Der internationale Tourismus und die damit verbundene Mobilität belastet das Klima stark. Tourismusfachleute sind gefordert, sich dringend Gedanken zu machen, wie die Branche dereinst klimaneutral werden kann. Doch dazu muss auch die Wissenschaft Lösungsansätze liefern.

Carte Blanche / Dominik Siegrist
Bild: Ralph Feiner

Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und muss nicht mit der Haltung der SCNAT übereinstimmen.

Der Gornergrat, das Jungfraujoch, die Rigi oder etwa der Titlis sind beliebte Ausflugsziele – nicht nur für Schweizerinnen und Schweizer, sondern auch für Gäste aus dem Ausland. Doch durch die An- und Abreise von Überseegästen werden pro erwähntem Berg jährlich mehr Treibhausgase emittiert als durch den gesamten Autoverkehr einer Schweizer Grossstadt. Lohnt sich diese immense Belastung des Klimas, nur damit diese Gäste ein paar Stunden das Panorama geniessen und danach in Luzern eine Uhr oder Schmuck kaufen können? Trotz Klimakrise und Corona-Pandemie globalisiert sich der Schweizer Tourismus weiter, etwa mit dem Verkauf des Skigebietes Andermatt-Sedrun an den grössten US-amerikanischen Skigebietsbetreiber. Wird man in Zukunft zum Skifahren also zwischen den Kontinenten hin- und herjetten, um den internationalen Skipass auszunützen?

Tourismusfachleute sollen handeln

Auch nach Corona wollen viele Schweizer Tourismusdestinationen weiter auf die Überseemärkte setzen, mit aktiver Unterstützung der vom Bund finanzierten Marketingorganisation Schweiz Tourismus. Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, dass die Klimadebatte an gewissen führenden Schweizer Tourismusfachleuten vorbeigegangen ist. Auf den einschlägigen Tourismusforen wird zwar eifrig über Nachhaltigkeit diskutiert und Tourismusunternehmen lassen sich mit Nachhaltigkeitslabels auszeichnen. Doch wenn dabei der besonders klimaschädliche Flugverkehr und die Anreise mit dem Privatauto ausgeklammert werden, bleibt die positive Wirkung für das Klima zwangsläufig bescheiden.

Auf globaler Ebene stellen der Tourismus und die damit verbundene Mobilität einen bedeutenden Treiber der Klimakrise dar. Dasselbe gilt für die Schweiz: So hat hierzulande der Freizeitverkehr auf der Strasse den Arbeitsverkehr in punkto Treibhausgasemissionen längst überholt. Und was die Fliegerei angeht: Der WWF geht davon aus, dass der durch die Schweizer Bevölkerung verursachte Flugverkehr, wenn man alle negativen Klimawirkungen berücksichtigt, für nicht weniger als ein Viertel der Schweizer Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Diese Zahl steht für den gesamten Flugverkehr, an dem jedoch der Tourismus den Löwenanteil besitzt. Leider werden die Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr bisher im Schweizer Treibhausgasinventar nicht berücksichtigt.

In die Ferien zu fliegen ist und bleibt schädlich fürs Klima

Möglicherweise besteht bei einigen Tourismusfachleuten die Hoffnung, dass die Zukunft für die Luftfahrt dann schon technische Lösungen bringen werde. Zum Beispiel mit aus Solarenergie erzeugtem Kerosin. Die jüngsten Forschungen zu diesem Thema kommen allerdings zum Schluss, dass hier dem Prinzip Hoffnung gehuldigt wird. Denn die zur Herstellung von künstlichem Flugtreibstoff benötigen Mengen an erneuerbarem Strom wären derart immens, dass dieser dann an anderen Stellen fehlen würde. Zum Beispiel bei der Gebäudeversorgung oder der Elektrifizierung der terrestrischen und maritimen Mobilität. Es dürfte somit kein Weg daran vorbeiführen, innert nützlicher Frist den globalen Flugverkehr deutlich zu reduzieren. Tourismusfachleute – in der Schweiz wie auch global – müssen (wieder) auf einen Tourismus setzen, bei dem deutlich weniger weite Wege zurückgelegt werden.

Für die Tourismusforschung bietet sich die Herausforderung zu klären, was das Netto-Null-Ziel für den zukünftigen Tourismus bedeutet. Welche Möglichkeiten hat die Branche, um ihre klimaschädigenden Aktivitäten auf ein verträgliches Mass zu reduzieren? Wie sehen klimavernünftige und wirtschaftlich tragbare Geschäftsmodelle der Tourismusbetriebe aus? Die Bearbeitung dieser und weiterer Fragen kommt in der oft von Co-Finanzierungen aus der Tourismuswirtschaft abhängigen Forschung bisher nicht voran. Doch die Wissenschaft muss auf diese Fragen in naher Zukunft klare Antworten liefern. Damit auch der Tourismus damit beginnt, sich ernsthaft mit dem Klimaschutz zu beschäftigen, in der Schweiz, in den Alpenländern und anderswo auf der Welt.

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Dominik Siegrist ist Professor für naturnahen Tourismus und Pärke an der Ostschweizer Fachhochschule OST und Mitglied des Kuratoriums des Forums Landschaft, Alpen, Pärke der SCNAT.

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